Die Uhren an den Türmen der Petrikirche 

Liebe Gemeinde,

„Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des Herrn!“

Psalm 113,3

So steht es geschrieben auf der Danktafel im Eingangsbereich unserer Petrikirche und ich möchte nochmals allen meinen innersten Dank für Ihre Unterstützung aussprechen. Allerdings war die Anbringung der Tafel einer der letzten Schritte auf dem fünfjährigen Weg bei der Wiederherstellung unserer Turmuhren. Alles begann mit dem Wunsch, auf den Ostturm zu gelangen. 2016 führte Jurij Borisovich die neuen Mitglieder des Kirchenvorstandes durch alle Räume der Petrikirche; so auch auf den Turm. Was wir dort vorfanden, war ein Paradies für die dort lebenden Tauben. Im Laufe der nächsten Wochen zogen diese unfreiwillig ins Dachgeschoss um. Bei der Besichtigung sahen wir auch die verbliebenen Glocken und mit der Zustimmung der erzbischöflichen Kanzlei läute ich diese seitdem jeden Sonntag zum Gottesdienst. Unterstützt werde ich dabei von Gerhard Reutter und Anton Kurmyshov.

Im August 2016 war es dann endlich so weit: Alexander Rezner, Vlad Bukhtoyarov und ich entrümpelten innerhalb von drei Tagen den Ostturm und reparierten alle defekten Fenster. Ein bequemer Aufstieg ist seitdem möglich. Bei den Arbeiten fielen uns einige Ungereimtheiten auf, die mein weiteres Interesse weckten: Reste eines zugemauerten Fensters, eine Glocke mit provisorischer Befestigung und fünf Löcher in der Fassade.

Auf historischen Fotos ist schnell zu erkennen, dass an den Türmen eine Sonnenuhr und eine mechanische Uhr die Zeit anzeigten. 

Mein Wunsch war gefestigt; ich möchte, dass der Originalanblick der Petrikirche wieder hergestellt wird. 

Nach dem Studieren des Buches zum 200. Jubiläum der Petrigemeinde, in dem ich schon viele nützliche Informationen fand, führte mich mein erster Weg zu Marina Khudenko, um im Archiv der erzbischöflichen Kanzlei weitere Dokumente über den Verbleib der Uhren zu finden. Bei der Suche fand ich heraus, dass schon 2002 die damalige Bauabteilung der Petrikirche den Versuch unternahm, die Uhren wiederherzustellen. Aus dieser Zeit stammt auch das Sonnenuhrmodell in den Katakomben. In den 20 Jahre alten Dokumenten fand ich unter anderem den Namen unseres Gemeindemitglieds Hans Schwahn. Unser erstes Telefonat zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Die positive Nachricht war: die vergoldeten, dekorativen Eckelemente sind damals schon hergestellt worden und befinden sich irgendwo in der Petrikirche. (Das Uhrenprojekt wurde 2002 auf Grund von finanziellen Schwierigkeiten auf unbestimmte Zeit verschoben.) Nach einem Monat intensiver Suche fand ich die Zierelemente an einem ungewöhnlichen Ort in der Petrikirche. 😉

Im Winter 2016/2017 begab ich mich mit einem Empfehlungsschreiben der erzbischöflichen Kanzlei und familiärer Unterstützung zweimal ins Archiv des KGIOP, um mehr über die Geschichte und den Verbleib der Turmuhren herauszufinden. Ab diesem Zeitpunkt spaltete sich das gedankliche Projekt in zwei Richtungen: die Suche nach einem Hersteller für die Zifferblätter und die nähere Bekanntschaft mit Vertretern des KGIOP. Während der Orgeleinweihung im September 2017 machte mich Pastor Schwarzkopf mit dem Vorsitzenden des KGIOP, Sergej Vladimirovich Makarov, bekannt. Ich stellte ihm meine Idee vor und er versprach mir, uns bei der Umsetzung des Uhrenprojektes zu unterstützen.

Im Sommer 2017 traf ich mich mit verschiedenen Turmuhrenherstellern aus St. Petersburg, um zu erfahren, welche Möglichkeiten es bei der Anfertigung gibt und welche Kosten zu erwarten waren. Über all die Jahre hat mich Andrej Novikov mit seiner kleinen Firma professionell beraten und letztendlich auch die elektrische Anlage und den Glockenschlag installiert. 

Parallel dazu fand das erste Treffen mit dem bekannten Sonnenuhrmeister Valerij Ivanovich Dmitriev statt. Valerij Ivanovich ist seitdem oft bei uns zu Gast und nahm auch an allen offiziellen Arbeitsgesprächen mit dem KGIOP teil. Dank seiner Berechnungen befindet sich heute die größte Sonnenuhr in St. Petersburg an unserem Kirchengebäude. 

Bereits im Projekt zur Fassadenrestaurierung 2018 waren die ersten Skizzen der zukünftigen Uhren zu sehen. Aufgrund verschiedener Aspekte musste allerdings ein eigenes Projekt für die Uhren erstellt werden. Dies übernahm 2019 ein zertifiziertes Planungsbüro aus St. Petersburg; im September 2019 genehmigte das KGIOP dieses und der schriftliche Teil, der ein Fünftel aller Kosten ausmachte, war vollbracht. 

Schon im November 2019 bekamen wir zwei Angebote von bekannten ortsansässigen Firmen, die für Arbeiten an denkmalgeschützten Gebäuden zertifiziert sind. Beide Angebote waren aufgrund der im Projekt genannten Anforderungen so hoch, dass die bisher gesammelten Spenden nicht ausreichten. Erst im März 2021 gelang es mir, drei Hauptsponsoren zu gewinnen. So konnte mit der Firma „KAST“ im Mai 2021 ein dreiseitiger Vertrag (Firma „KAST“, Petrigemeinde, erzbischöfliche Kanzlei) für die Herstellung der Zifferblätter unterschrieben werden. Anton Kurmyshov und ich fuhren mehrmals zum Betriebsgelände der Firma, um Aufnahmen vom Herstellungsprozess zu machen. 

Am 29. Oktober 2021 war es so weit. Während Alla Timoshenko und Valentina Kurmyshova einen leckeren Eintopf für alle Anwesenden kochten, bekamen die Uhren mit der Hilfe von Kran und Hebebühne ihren historischen Platz an den Türmen. Am 31. Oktober 2021 war während des Gottesdienstes zum Reformationstag die offizielle Einweihung mit dem ersten Stundenschlag der Glocken um 12:00 Uhr. Die Danktafel im Eingangsbereich dient auch als Erinnerung an diesen historischen Moment.

Klaus Dombrowski